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  • AutorenbildAndrea

faule minimalisten

Aktualisiert: 28. Juni 2020

Konrad Lorenz schreibt: "Das Herrliche an einem so rein beobachtenden Leben und Arbeiten mit wildlebenden Tieren ist, daß die Tiere selbst so wunderbar faul sind. Die blödsinnige Arbeitshast des modernen Zivilisationsmenschen, dem sogar die Zeit fehlt, eine wirkliche Kultur zu haben, ist dem Tiere völlig fremd. Selbst Biene und Ameise, die Sinnbilder des Fleißes, verbringen den größten Teil des Tages im dolce far niente (italienisch für süßes Nichtstun), nur sieht man sie dann nicht, diese Heuchler, weil sie in ihrem Bau sitzen, sobald sie nicht an der Arbeit sind." (Lorenz, 1949, S. 91) Als ich das gelesen hatte, war ich verwundert, dass Lorenz so gut über Bienen Bescheid wusste, mir war nicht bekannt, dass er sich intensiv mit Bienen beschäftigte, haben ihn doch seine Graugänse und Dohlen genug auf Trapp gehalten. Allerdings muss man ja nicht alles selbst erforschen, nur gute zuverlässige Quellen haben und die hatte Konrad Lorenz zweifelsohne, die komplette intellektuelle Elite war ja damals in Wien vertreten, so auch Karl von Frisch, einer der bekanntesten Bienenverhaltensforscher, der 1973 gemeinsam mit Lorenz und Tinbergen den Nobelpreis erhielt. Meine weiteren Recherchen ergaben natürlich, dass Lorenz Recht hat: Empirische Studien zeigten, dass maximal 70% der Bienen den Stock überhaupt verlassen und diese 1-10 mal täglich, im Durchschnitt macht eine Biene 4 Ausflüge täglich. Rechnerisch ergibt sich dasselbe Ergebnis, wenn man davon ausgeht, dass ein Volk mit 50.000 Bienen an einem Hochsommertag 5 kg Nektar einträgt. Pro Sammelflug bringt eine Biene 50 Milligramm Nektar ein, pro Gramm sind also 20 Flüge nötig. Für 5 kg Nektar sind 100.000 Flüge notwendig, wenn wir davon ausgehen, dass die Hälfte der Bienen sammelt, fliegt jede im Durchschnitt 4 mal. Je nach Nahrungsangebot kann die Flugentfernung bis zu 3 km betragen, in Ausnahmefällen bis zu 7 km. Aus etwa 2 bis 2,5 Kilo Nektar wird nach dem Trocknungs- und Veredelungsprozess ein Pfund #Honig. Allein für ein einziges Pfund sind umgerechnet etwa 50.000 Flüge notwendig, um das Glas zu füllen. Allerdings verbrauchen die Bienen selbst so viel Energie für die Brut und sich selbst, dass man weitere 50.000 Flüge dazu addieren muss. Wenn man für Hin- und Rückflug nur durchschnittlich 750 Meter rechnet, kommt man auf eine Kilometerzahl von 75.000 km für ein Pfund Honig, was fast 2 komplette Erdumrundungen sind. Der Belag für ein Honigbrot hat 3000 km in sich. Das hört sich nach ständiger harter Arbeit an! Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht alle Bienen, die im Stock bleiben, sich dem "süßen Nichtstun" hingeben, wie Lorenz sagt. Im Haushalt gibt es schließlich auch genug zu tun: Putzen, Wabenbau, Brutpflege, Honigherstellung, Bienenbrot "Backen", Heizen bzw. Kühlen und die Bedienung der Königin. Der Superorganismus #Bien leistet Unfassbares, die einzelne Biene reißt sich allerdings kein Bein und keinen Stachel aus, wenn es nicht nötig ist. Sie folgen einem Grundprinzip für jedes Lebewesen, das sich in der #Evolution über Jahrtausende durchgesetzt hat: Man tue nur so viel wie nötig. Bienen sind einfach nur effizient. Sie arbeiten genau so viel, dass ihr Volk seine Gene an die nächste Generation weitergeben kann.

Manche Imker sind der Meinung, sie müssen nur genug Platz im Stock schaffen, am besten schon vorgefertigte Waben, sog. Mittelwände, reinhängen, dann müssen die Bienen ihre Energie nicht für den Wabenbau aufwänden und sammeln Nektar bis alle Waben gefüllt sind. Meine persönliche Erfahrung war, dass die #Bienen meistens noch Platz in den äußeren Rahmen gelassen haben. Das eindrücklichste Erlebnis war der Raubüberfall auf mein Bienenvolk, das im Sommer sehr geschwächt und dezimiert von Varroamilben und dem Flügeldeformationsvirus war. Wenn ein Volk zu klein ist, kann es das Flugloch nicht mehr gegen Eindringlinge verteidigen und das Volk wird zwangsläufig von fremden Bienen und Wespen ausgeraubt, so wurden in diesem Fall in weniger als 24 Stunden 24 kg Honig davon getragen. Ich dachte damals, dass sich die beiden benachbarten Völker sicherlich auch bedient haben. Das anschließende Wiegen zeigte eindeutig, dass die Nachbarn sich überhaupt nicht an dem Raubzug beteiligten. Meine Interpretation war, dass sie bereits ausreichend Honig für den Winter hatten, wir hatten in diesem Jahr, wie in den meisten Jahren noch gar keinen Honig bei den 3 Völkern entnommen. Die Räuber kamen also wohl ausschließlich von Erwerbsimkern, die den kompletten Honig bereits geerntet hatten und die Bienen daher entsprechend gierig und panisch waren.

Bienen wissen von Anfang an, was mancher Mensch in seinem Lebensabend feststellt: "Es dankt Dir am Schluss ja doch keiner." Im Gegenteil: Ein Bienenvolk, das 20 Kilo Honig im Stock angehäuft hat, den es gar nicht braucht, geht unnötige Risiken ein: Sammelbienen werden von gefiederten Feinden verspeist, verunfallen, sterben vor Erschöpfung oder erfrieren. Das Bienenvolk hätte also große Kosten, ohne einen Nutzen davon zu haben – und überlässt den Bienenfleiß deshalb gerne den Menschen und lebt, wie alle anderen Tiere auch, minimalistisch. Wenn man es auf den Stachel treiben will, könnte man auch sagen, Bienen sind Frugalisten.



Quellen:

  1. Lorenz, Konrad: Er redet mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen, München: 1949.

  2. https://propolis-honig.de/wie-weit-fliegen-bienen-fuer-honig/

  3. http://www.bee-careful.com/de/initiative/fleissige-honigbienen/

  4. https://www.srf.ch/sendungen/einstein/fuenfmalklug/sind-bienen-wirklich-fleissig

  5. https://www.die-honigmacher.de/kurs5/seite_13209.html




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